Verlaufen an der Schule

Autorin und Fotos: Frau A. Schneider

Hallo,

ich bin Ottilie! Ich hatte so großen Hunger und der Mülleimer vor der Otto-Hahn-Schule roch so verführerisch, dass ich mich glatt in die Schule verlaufen hatte. Ich irrte am Nachmittag des vierten Oktobers im Eingang der Schule herum und kam nicht mehr heraus. Meine Mutter und meine Geschwister fand ich auch nicht mehr. Da hat mich eine Lehrerin einfach mitgenommen. Mit einem Pappbecher fing sie mich und setze mich in einen Einkaufskorb, den sie im Kofferraum ihres Autos deponierte. Als ob das ein Problem für mich gewesen wäre. Flugs kletterte ich heraus und inspizierte den Kofferraum des fahrenden Autos. Ich war so klein, dass ich mich gut verstecken konnte, schließlich wog ich nur 100 Gramm.

Dann sperrte sie mich in eine Box in einem Gartenhaus, dabei wollte ich lieber abends meine Erkundungsgänge machen, aber irgendwie war es dort auch gemütlich. In einem umgedrehten Schuhkarton hatte sie ein Eingangsloch geschnitten und das Innere mit Zeitungspapier und trockenen Blättern ausgepolstert. Jeden Abend bekam ich leckeres Futter: Katzennassfutter oder ungewürztes Rührei. Manchmal gab es auch Igelfutter, aber das Katzenfutter Huhn mit Leber mochte ich am liebsten. Auch die Katzenaufzuchtsmilch ließ ich mir schmecken, zum Glück wusste sie, dass Igel keine normale Milch trinken dürfen, da sie keine Lactose vertragen.

Es ging mir also ganz gut und ich nahm jede Woche rund 100 Gramm zu. Als ich größer wurde, konnte ich sogar aus der Box klettern und das Gartenhäuschen erkunden, aber dann kam ich nicht mehr in mein Igelhäuschen zurück und musste mir ein anderes Versteck suchen, das nicht so kuschelig war. Da ich jetzt keinen Hunger mehr hatte, konnte ich wie alle gesunden Igel tagsüber schlafen und abends Futter suchen. Naja, suchen ist übertrieben, denn das Essen und Wasser standen immer an dem gleichen Platz. Manchmal gab es aber auch einen Regenwurm, der sich im Laub versteckte. Außerdem wurde fast jeden Tag die Box sauber gemacht und mit frischem Zeitungspapier und trockenem Laub ausgelegt: Dazu weckte sie mich und wog mich ab und zu. Einmal wurde ich sogar mit Läusespray behandelt, dann juckte es mir aber nicht mehr so in meinem Stachelkleid.

Jetzt bin ich schon über einen Monat in meinem neuen Igelheim und merke, dass ich immer müder werde. Bald beginnt der Winterschlaf und mir wurde versprochen, dass ich den in Freiheit in einem Laubhaufen im Garten verbringen kann. Mit über 500 Gramm habe ich jetzt auch gute Chancen den Winter zu überstehen. Gute Nacht und bis nächstes Jahr.

Eure Ottilie